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Datum: 03.12.2022

Billy Talent in Lingen

Keine Glaubenskrise in die Rockmusik

Lingen (ml)    Eines von zwölf Konzerten ihrer aktuellen Deutschlandtour führte Billy Talent am vergangenen Wochenende in die Emsland-Metropole Lingen. Dort steht die gut 5.000 Menschen fassende Emsland Arena. Und diese ist für Billy Talent ausverkauft. Aber auch die Support-Bands haben es in sich. Dieses sind die Newcomer Pabst aus Berlin und Frank Turner mit seinen Sleeping Souls.

Billy Talent sorgen auf ihrem Konzert in Lingen 90 Minuten lang für eine schweißtreibende Fitnessveranstaltung. Foto: Marcel Linke

Mit zwei Vorgruppen ist heute der Beginn nicht, wie sonst üblich um 20 Uhr, sondern bereits um 19 Uhr. Pabst kommen auf die Bühne und liefern, dafür, dass sich die Band erst
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2016 gegründet hat, ordentlich ab. Bereits mit anderen Bands konnten die Berliner Erfahrung sammeln und machten bereits Support für die Leoniden und Drangsal sowie auf Caspers Zurück Zuhause-Festival im Jahr 2019. Und auch Benjamin Kowalewicz, Sänger von Billy Talent, ist schon früh auf Pabst aufmerksam geworden. In seiner Radioshow auf Rock Antenne spielte er Pabst bereits. So kommt es nicht von ungefähr, dass die noch junge Band für die Kanadier eröffnen darf. Gerade als man sich etwas an Pabst gewöhnt hat, muss die Band, die schon mit feinstem Garage Rock vorgelegt hat, wieder runter von der Bühne.

Auf dieser ist nun ausreichend Platz für Frank Turner & The Sleeping Souls. Der Engländer tourt sich gerade den Arsch ab. Nachdem er im September schon für sein eigenes Festival Lost Evenings in Berlin war, in den USA jeden Staat bespielt hat, Konzerte in seiner Heimat gegeben hat, vor einer Woche beim Grand Münster Slam der Donots zu Gast gewesen ist, ist er nun auch mit Billy Talent auf Tour. Seine Ansagen möchte Frank Turner heute auf Deutsch machen und das klappt auch ganz gut. Und zwar vollkommen, ohne sie abzulesen.
Nachdem Frank Turner mit "Recovery" und "Try This At Home" super vorlegt, gibt es dann auch folgerichtig "Eulogy" mit deutschem Text, was man bereits aus der Vergangenheit so von ihm kennt. Zu den bekannten Songs von Frank Turner, wie "Photosynthesis" ist sogar das Publikum erstaunlich textsicher. Und leider muss Frank auch Songs spielen, von denen er dachte, sie nie schreiben zu müssen. "1933" behandelt den Rechtsruck in der Gesellschaft, den man ja gerade in der britischen Regierung sieht.
"I Still Believe" markiert dann nochmal zum Ende seines Sets hin den offiziellen Mitsingpart. Auch Jonathan Gallant, Bassist von Billy Talent, findet sich für ein Mundharmonika-Solo auf der Bühne ein. Nach gut 50 Minuten und "Four Simple Words" muss dann leider auch Frank Turner die Bühne verlassen.


Billy Talent fordern dazu auf aufeinander Acht zu geben

Dafür kommen dann ja Billy Talent eine halbe Stunde später auf dieselbige und bringen mit "Devil in the Midnight Mass" auch direkt die gesamte Halle zum beben. Ab jetzt werden über 90 Minuten lang Vollgas gegeben. So viel übrigens, dass Benjamin Kowalewicz zu Anfang erstmal die Regeln erörtern muss: Es wird auf jeden Rücksicht genommen, Menschen die beim Pogen hinfallen wird wieder hochgeholfen und wenn was ist, gebt den Securities und der Band ein Zeichen, dann wird unterbrochen.
Billy Talent schaffen auf es live eine gute Mischung aus neuen und alten Songs hinzubekommen. Rund ein Viertel der gespielten Songs stammen vom aktuellen Album "Crisis of Faith". Die meisten Songs werden vom Meisterwerk "Billy Talent II" gespielt. Aber auch die Singles anderer Alben, wie beispielsweise "Afraid of Heights" oder "Rusted from the Rain" kommen nicht zu kurz.
Verschnaufpausen für das Publikum gibt es in dem Set, welches bei Billy Talent naturgemäß aus sehr schnellen Songs besteht, eher nicht. Zu "The Wolf" vom aktuellen Album werden die Handyleuchten gezückt, es ist die einzige richtige Ballade der kanadischen Punk- und Alternative-Rocker. Der Text wird als Mitsingpart auf einem LCD-Wand im hinteren Bühnenbereich geworfen.
Es ist auch ein guter Zeitpunkt, um auf die Charity-Aktion, die Billy Talent unterstützen aufmerksam zu machen. Von jedem gekauften Ticket geht ein Euro ab für War Child, eine Organisation, die Kindern hilft, die durch Kriege in Not geraten sind.

Insgesamt ist das aktuelle Album von Billy Talent weniger punkig geraten, dafür rockiger. Die Stücke sind musikalisch komplexer geworden und man merkt, dass sich auch die Band handwerklich weiter entwickelt hat. "End of Me" ist so ein Aushängeschild. Im Platten-Original zusammen mit Rivers Cuomo von Weezer performt, geben Billy Talent den Song in Lingen allen zum Besten. Viel prägender als der Gesang ist jedoch die ausgeprägte Solo-Gitarre von Ian D'Sa, die ein wenig an grandiose Blues-Gitarristen erinnert.

Während das Publikum jedoch die Songs vom neuen Album teilweise noch etwas mehr verinnerlichen muss, gibt es so einige Klassiker, die immer und bei jedem Billy-Talent-Fan gut ankommen. "Surrender" und "Surprise Surprise" sind solche Evergreens. Während ersteres immer noch ein wenig Verschnaufpause gönnt, geht es zu "Surprise Surprise" wieder ordentlich ab. "Fallen Leaves" wird von Benjamin scherzhaft als Weltpremiere in Lingen angekündigt. Das wär aber auch was gewesen, wenn es eine solche Weltpremiere eines neuen Songs ausgerechnet im Emsland gegeben hätte. Und zu "Devil on my Shoulder" ist es dann tatsächlich so weit. Die Band muss unterbrechen. Vorne ist es zu eng geworden, zu heftig. Es hat sich im Moshpit jemand verletzt, ein paar sind Leute sind hingefallen. Während der Verletzte leider das Finale wohl nicht miterleben wird und rausgetragen wird, wir hoffen dass er sich nichts allzu schlimmes getan hat, ermahnt Ben das Publikum nochmal aufeinander Acht zu geben. Billy Talent-Konzerte sind keine Shows, die sich dafür eignen sich selbst zu profilieren oder den Starken im Publikum zu markieren. Jeder soll Spaß haben.

Tatsächlich folgen auch nicht mehr viele Songs. Eine Zugabe geben Billy Talent nicht. Sie spielen komplett durch bis zum Ende. Es hat was für sich keine Zugaben mehr zu geben, speziell wenn jeder mittlerweile weiß, dass diese regulär eingeplant sind. Es gibt keine Pause, das Publikum ist nicht verwirrt bei dem, was es schreien soll und meistens gibt es dafür sogar noch einen weiteren Song, den man sonst nicht geschafft hätte. In diesem Fall wäre das wohl "Viking Death March", der kurz vor "Red Flag", bei welchem die gesamte Halle nochmal laut mitsingt, gespielt wird.

Nach über 90 Minuten, total verschwitzt und halbtaub, ist das Billy Talent-Konzert zu Ende. Eine super Rockshow mit zwei sympathischen Vorgruppen und einer wahnsinnig gut aufgelegten Band, die auf der Bühne echte Schwerstarbeit leisten.

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Bands: Billy Talent Frank Turner Pabst
Locations: Emsland Arena
Allgemein: Konzertbericht

Datum: 03.12.2022

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