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Watt en Schlick Fest 2022

Eigentlich alles wie immer, wie immer großartig.

Dangast (sd)    Endlich wieder uneingeschränktes Vergnügen beim Watt En Schlick Fest. Fand das Fest im letzten Jahr noch unter Corona Auflagen statt, so gab es heuer keine einschränkenden Massnahmen, die das Vergnügen beeinflussten. Sommer, Strand, Sonnenschein und dazu ein extra feines Line-up mit Beatsteaks, Metronomy, Nura, Moop Mama, Thees Uhlmann, Blod Red Shoes, Olli Schulz und vielen mehr.

Keno, Sänger der Band Moop Mama, oben auf beim Watt en Schlick Fest 2022 Foto: Sven A. Droste

  Bilderübersicht
Watt en Schlick Fest
Aber erstmal zum Anfang, denn zum Anfang läuft es etwas hakelig an. Der Einlass verzögert sich. Der Strand ist noch nicht chic genug, wie uns Till Krägeloh, der Veranstalter bei seiner Eröffnungsansprache erzählt. Nach der Rede geht es aber endlich los. Flo Mega & the Ruffcats machen den Anfang auf der Hauptbühne im Sand am Strand.

Es ist zwar erst früher Nachmittag aber Flo und die Katzen haben Bock und so verwandelt sich der Strand schnell in einen Dancefloor auf dem, jetzt und in den Nächsten Tagen noch einige Kubikmeter Sand mit tanzenden Füßen umher geschoben und aufgewirbelt werden sollen. Diejenigen, die den Soulman aus Bremen schon mal live gesehen haben, muss man nicht mehr sagen, wie entertaining er ist, und die Anderen, die sollten sich das mal auf die Bucket List schreiben. Lieblings Zeile "Wenn dein Telefon nicht klingelt bin ich das. (Ferddich)"

Ein paar Steinwürfe entfernt steht die "La Mer"-Bühne auf der macht May the Muse den Anfang, komplettes Kontrastprogramm zu Strandbühne, aber, bei aller Zurückhaltung was das Gas angeht, die Stimme von dern in Bad Nauheim geborenen Dorothy Mishoe ist aussergewöhnlich gut. Ein sehr schöner Start auf "La Mer".

Die Crucchi Gang, die den zweiten Startplatz auf der Strandbühne hat, kommt mit einem Konzept, das nicht (mehr) außergewöhnlich, aber gut ist. Nimm einen Deutschen Song, sing ihn auf Italienisch und alles ist viel schöner. Der aufwand mit der Francesco Wilking (Die Höchste Eisenbahn), Tobias Bamborschke (Isolation Berlin) und Kollegen das auf die musikalisch Bühne bringen ist enorm. Bläser, Streicher, alles in satter Menge vorhanden, aber, und das ist leider traurig, die gesangliche Ausführung ist an vielen Stellen zumindest suboptimal. Woran es liegt? Ob Euphorie vor Intonation steht oder es einfach technische Probleme sind wird vermutlich nicht geklärt. Jedenfalls ist Luft nach oben vorhanden.

Lina Brockhoff geht mit Band, aber ohne Vornamen als Brockhoff auf die "La Mer"-Bühne. Ein Wiedersehen mit den Neunzigern. Indi/College Rock 2.0 oder höher. Mit diesem Sound transportiert Lina ihre ganz eigenen Geschichten, in denen sich aber viele wiederfinden werden. Brockhoff sind echt eine schöne Entdeckung, wenn man das Genre mag.

Shame, die auf der Strandbühne spielen, sind eine Wand und Charlie Steen verkauft das ganze mit einer Cockyness, die zuweilen an die Gallaghers erinnert. Einfach das richtige Quäntchen drüber, das es spannend macht. Shame sind einfach ein Wachrüttler an diesem Freitag. Es war auf keinen Fall vorher langweilig, aber das hier ist einen Zäsur im besten Sinne des Wortes, der Moment, der einen denken lässt "Wow, was ist das?" Shame wirbeln eine Menge Staub auf.

Hinter The Kings of Dubrock steht Jacques Palminger, der auch bei Studio Braun und Fraktus sein Irrwesen treibt. Das gemischt mit dem namensgebenden Dub Beats aus den Fingern von Viktor Marek und dem Gesang von Rica Blunck macht die Könige des Dubrock zu einem Fest für Beine, Ohr und Geist. Ein Fest bei dem man immer wieder denkt, "Moment, was hat er gerade gesagt?".

Am frühen Abend sorgt Curtis Harding dafür, dass am Strand wieder eine Menge Sand bewegt wird. Der in Atlanta lebende Musiker hat unter anderem sein aktuelles Album "If Words Were Flowers" im Gepäck und heizt damit dem Publikum am Stand ordentlich ein. Musik für die Seele, aber auch für die Beine, wie man an der dicken Staubschicht auf den Klamotten deutlich sehen kann.

Etwas später bietet Priya Ragu mit ihrer Band auf der "La Mer" Bühne ein Crossover aus  R&B, Soul, Hip Hop auf der einen Seite und Tamil Folk Music und Kollywood-Samples. Tanzbar und spannend zu hören.

Danger Dan, der sich mit seinem fortgeschrittenen Alter gar nicht mehr so vorstellen will, ist als Überraschungsact erst kurz vor Beginn des Festes bekannt gegeben worden. Eine schöne Überraschung. Überraschen wie sein 2021 erschienene Klavieralbum, das dann aus dem Stand alle Erwartungen übertroffen hat, dem Konjunktiv sei Dank. Im Gegensatz zu Shows der Antilopen Gang, mit denen Daniel Pongratz sonst die Bühnen unsicher macht, ist das hier sehr gesittet. Daniel sitzt am elektrischen Klavier und gibt die Songs des "Kunstfreiheits" Album und die Geschichten zu den Songs zum Besten. Schön zu sehen, wie sehr die politischen und gesellschaftlichen Themen der Songs auf offene Ohren im Publikum treffen. Überraschung gelungen.

Über den Tag verteilt und auch nach Danger Dan treten natürlich auch noch viele andere Künstler auf, wie . z.B. Immo, der wieder Host an der Palettenbühne ist und natürlich seine Freestyle-Künste zeigt, oder Ätna, Edwin Rosen, Team Scheisse, Moglii und und und.

Für ein großes Beben sorgt am Samstag Nura, die mit ihren Tänzerinnen auch für den ersten Circle Pit vor der Strandbühne verantwortlich ist. Nura ist charmant frech um das wohl der Jüngeren bedacht und fragt sich, ob man um die Uhrzeit, es sind kurz nach 14 Uhr, eigentlich schon das Konzept der Sidebitch thematisieren kann. Kann man. Man kann es um die Zeit richtig krachen lassen und das tut sie.

Irgendwann nach Kynda Gray, der auf der Paletten Bühne und Schmyt, der die Strandbühne bespielt, zieht sich der Himmel zu. Da meldet sich was an und es kommt nicht zu knapp. Das Gelände wird geräumt. Das hatten wir schon mal, aber erst  später am Abend während der Show von Bilderbuch, die unterbrochen wurde und dann später nach dem Unwetter fortgesetzt wurde. Zu Bilderbuch sei hier eines gesagt, die sind zwar da, haben aber keinen Bock auf Bildberichterstattung. Wer nicht will der hat schon.

Etwa eine Stunde später oder auch etwas mehr ist das Gelände wieder freigegeben, aber die Shows haben sich natürlich ordentlich verschoben. Das führt z.B. dazu, das Sharktank jetzt auf La Mer gegen den Sound der Hauptbühne anspielen müssen, auf der Olli Schulz auf sein Feuerwerk abbrennt. Und zum Wetter? Olli muss sich aus dem Publikum eine Sonnenbrille leihen, da er sonst wegen der gleißenden Sonne die Menschen vor der Bühne nicht sehen kann. Ja, so ist das an der Küste. Eben Unwetter, jetzt Sonne. Mal sehen was da noch kommt.

Musikalisch kommt noch einiges. Da ist Noga Erez, die auf der Strandbühne zum Tanzen einlädt, HipHop trifft auf Funk und Soul. Sehr gut Mischung um in den Abend zu gleiten und sich bereit zu machen für den nächsten Sturm.

Nein, nicht Wetter, sondern Musik. Musik eines Duos von den Britischen Inseln. Die Blood Red Shoes treffen einen wie ein Orkan. Der Druck der von der Bühne kommt ist massiv, erstaunlich das man dazu nur 2 Menschen und etwas Material brauch. Laura-Mary Carter und Steven Ansell jedenfalls hinterlassen eindruck und piepende Ohren.

Später dann spielt 1986zig, Pauas Hartmandann und eine Band aus Österreich. Den Soundtrack der Nacht bilden das Moka Efti Orchestra, die Band aus Babylon Berlin mit ihrem 1920er Sound, und Lars Eidinger mit einem DJ Set.

Sonntag morgen steht das berüchtigte Schlickrutschen auf dem Programm, aber leider zeigt sich das Nordseewetter von seiner uncharmanten Seite. Dem Schlick ist es egal, der muss eh feucht sein und die Kontestantinnen und Konstanten sind Kummer gewohnt.

Wieder ein Highlight zum frühen Nachmittag. Moop Mama sind zum wiederholten Male in Dangast. Nicht nur zum Watt en Schlick Fest, auch ein Video haben sie hier schon gedreht. Genau hier an Strand vor dem Kurhaus. Die Kapelle aus dem Süden Deutschlands gibt rein gar nichts aufs feuchte Wetter. Kaum auf der Bühne, dauert es nicht lange und Keno schwimmt auf der Menge, wobei es vermutlich von Oben nasser ist als von unten. Der Ausflug aufs Publikum ist nach seinen eigenen Angaben eine Grenzerfahrung nach der ganzen Corona Zeit.

Mia Morgan & Band kann man dann wieder fast trocken genießen, wer sich aber sicher ganz sein will, der sollte zu Heinz Strunks Lesung ins Zelt gehen. Und so geht es hin und her mal mehr mal weniger Nass. Jeremias auf der Strandbühne, Bruckner auf La Mer und Kid Simius und Bonaparte auf dem Floss, alle machen das Beste aus dem Wetter und geben alles, um die Menschen im Regen zu unterhalten. Am Floß entwickelt sich der Boden durch die tanzenden Füße zu einem regelrechten Schlammbad, Schlickrutschen wäre absolut möglich.

Es beruhigt sich wieder ein wenig, als Thees Ulman & Band auf die Bühne gehen. Thees hat Bock, das merkt man gleich und er macht auch keine Gefangenen. Es ist einfach großartig, ihm dabei zuzusehen, wie er Spaß hat, wie die Augen des Endvierzigers leuchten wie die eines Kindes. Das überträgt sich auch auf sein Gegenüber. Thees, die Band und die Menschen, alle haben Spaß.

Auf La Mer kann man dann die Algiers erleben, brutal vom Sound, beeindruckend von der Stimme, aber irgendwie scheint ihnen eine Laus über die Leber gelaufen zu sein, so machte es jedenfalls den Eindruck.. 50% von Theesens Bock hätten ihnen gut gestanden.

Drei Tage hat man darauf gewartet und dann kommt der Augenblick, an dem die Beatsteaks aus Berlin das Publikum am Dangaster Kurstrand erblickten. Eventuell mag es ja auch an der Aussicht liegen, die man von dieser Bühne hat, aber da ist er wieder der Bock. Die Lust zu spielen, die Lust mit dem Publikum zu spielen, das ist es, was sich auch auf den Gesichtern der Beatsteaks ausbreitet, als sie starten. Arnim ist kaum auf der Bühne, da steht er schon auf einem der Riser an der Bühnenabsperrung und bringt jungen Menschen das Mengenreiten bei. Crowdsurfen für Teenager, so könnte der Kurs heißen, den Herr Teuteburg-Weiss demnächst in der VHS anbietet. Das Spiel mit der Menge kann er einfach. Und den Höhepunkt seiner Kunst erleben wir in einem Salto vom Rollipodest. Mit den Worten "Dit muss enger, ick hab Familie." Stürzt er sich zu Monster in die Fluten. Achja, die Beatsteaks, vielleicht doch die beste Band? Findet eventuell auch Thees Uhlmann, der es sich nicht nehmen lässt zusammen mit dem Publikum vor der Bühne zu feiern.

So langsam sind wir schon fast am Ende des 2022er Watt en Schlick Festes. Noch 2 Shows stehen auf der Liste. Als Vorletzte gehen !!! (Chk Chk Chk) an den Start. Die Band ist auch ein klarer Fall von “Wehe, wenn sie losgelassen''. Frontmann Chris Offer hat scheinbar endlose Energie. Am Bühnenrand, im Publikum, kletternd auf dem Gerüst. Zusammen mit der Band bringen er und seine Kollegin am Mikrophon Tanzmusik unter das Volk. Was das für ein Stil ist, keine Ahnung, auf jeden Fall immer funky.

Den Abschluss des Festivals bilden Metronomy. Eigentlich eine Bank, ne coole Band mit coolen Tanzbaren Indie-Pop-trifft Disco-Funk Songs, aber irgendwie sackt das Energielevel nach den beiden vorangegangenen Bühnenexzessen merkbar ab und die Band aus UK muss sich am Anfang echt lang machen um den Anschluss zu kriegen. Metronomy bilden aber dennoch einen würdigen und schönen Abschluss des Festivals.

Ein Fest, das wieder alles hatte, eine unschlagbare Location und einmaligen Charme, gute Musik, Darbietungen und Aktionen und nicht zuletzt wieder von fast allem, was das Nordseewetter zu bieten hat. Danke Watt en Schlick, es war wieder ein Fest. Ein Fest, das immer beliebter wird, aber nicht wachsen kann und will, ohne den Ort zu verlassen. Dass das Konzept so passt, zeigt sich auch dadurch, dass die 2023er Ausgabe einen Tag nach Ende der diesjährigen in den Vorverkauf für die Festivalkarten ging und in kürzester Zeit ausverkauft war. Wer kein Glück hatte, Karten zu bekommen, muss wohl so lange warten, bis die Tageskarten verkauft werden. Haltet die Augen auf, wir sagen Bescheid.
(ph)
 
 

 

 


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