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Ruhrpott Rodeo 2015

Festivalsaisoneröffnung mit feinstem Punkrock

Bottrop (m2w)    Heute ist es mal wieder soweit, das Ruhrpott Rodeo steht an und auch dieses Jahr stand ein Line Up auf dem Programm das einiges verspricht. Folge richtig wurde am Morgen das Zelt ins Auto geladen und auf ging's in Richtung Hünxe um das diesjährige Rodeo persönlich in Augenschein zu nehmen.

Das Ruhrpott Rodeo hat für uns dieses Jahr den Start in die Festivalsaison gemacht: Mit sehr viel Punkrock. Foto: Danny Kötter

Freitag

Gegen 12 Uhr komme ich am Mittag auf dem Gelände an, erster Schritt: Bändchen abholen, dann Auto entladen und auf zum Campingplatz, Zelt aufbauen. Hier schon gleich die erste positve Veränderung im Vergleich zum letztjährigen
Fotos vom Festival
Homepage zum Ruhrpott Rodeo
Rodeo: der Zeltplatz liegt dieses Jahr näher am Infield, was den Weg zu den Bühnen angenehm kurz macht, ebenso wirkt der neue Platz ein wenig geräumiger. Zelt wird flux aufgebaut, dann werden schnell die Nachbarn kennen gelernt.Während dessen verpasse ich allerdings mit Schmeisig die erste Band des Festivals. Naja, was heißt verpassen? Ich steh zwar nicht vor der Bühne aber bis zum Zeltplatz kommt der Sound natürlich dennoch. Was ich wahr genommen haben waren ein paar nette Akkustikcover, keine Ahnung ob's vor der Bühne gezündet hat, am Zelt konnte man auf jeden Fall gut n Bierchen dazu süppeln.

Im Anschluss führt mich der Weg dann auch zum Infield und vor die Bühne, denn die Abstürzenden Brieftauben stehen auf dem Programm. Ein wenig seltsam mutet die Entscheidung die Band so früh spielen zu lassen (meine Uhr sagt 15.15 Uhr) schon an, tut der guten Stimmung keinen Abbruch. 80er Deutschfunpunk allererster Sahne, alle Hits dabei, hat Spaß gemacht und die neue Besetzung der Tauben funktioniert richtig gut zusammen. Gern wieder.

Es folgen die Bloodsucking Zombies from Outta Space. Rockabilly/Psychobilly im Zombiekostüm und strahlenden Sonnenschein. Set ist gut, die Musik eingängig, so einfach kann ein guter Auftritt sein. Mit 45 Minuten auch genau die richtige Länge und die Band kommt gut beim Publikum an.

Alarmsignal ist die nächste Band auf dem Programmzettel. Melodischer Deuschpunk, mir persönlich etwas zu formel- und stellenweise auch zu parolenhaft. Egal, dem Publikum gefällt's, die Jungs haben auch sichtlich Bock, also alles richtig gemacht.

Danach mein erstes Highlight des diesjährigen Rodeos: die Subhumans. Bis dato leider noch nie live gesehen gehabt aber mir schon mehrfach berichten lassen, was für eine gute Liveband die Jungs zumindest in den Clubs doch sind. Meine anfänglichen Bedenken ob die Band auch auf großer Bühne funktioniert werden nach ca. 2 Minuten zerschlagen und der Auftritt zündet richtig. Spielfreudig, ohne große Posen aber eingängig, so muss Punkrock sein. Die Band steht auf jeden Fall jetzt auf meiner "Muss ich nochmal sehen"-Liste, grandioses Ding.

Die Blöckflöte des Todes im Anschluss auf der kleinen Rodeo Stage verpasse ich, da ich mich erstmal mit einem Bierchen von dem Gig der Subhumans erholen und den Kopf wieder klar kriegen muss.

Dafür bin ich dann aber bei Egotronic wieder voll da und muss zugeben überrascht zu sein, als ich plötzlich eine vollständige Band vor mir stehen habe. Beim Serengeti Festival vor 3 Jahren war das ganze noch elektronischer, mit Laptop und fetten Bassloops. Die gibt's heute zwar auch aber von einem echten Bassisten und Drummer vor getragen. Logische Konsequenz des ganzen: Alles klingt organischer, die Ausrichtung punkiger. Solider Auftritt mit viel Punkattitüde, hier geht's um "Die Band der Vollidioten", da wir geraved gegen Deutschland, es wird getanzt, mit gesungen und gefeiert, perfekter Einstieg in den lauen Abend.

Total Chaos danach verpasse ich freiwillig. Finde ich auf Platte stinkenlangweilig, was ich von der Rodeo Stage hören kann klingt dann auch wie das erwartete 3 Akkorde Geschrammel. Während dessen kann ich mir besser das T-Shirt aus-, und dafür Skatershorts und Wifebeater anziehen, denn es folgten die Hardcorehelden von Agnostic Front. Gig ist wie zu erwarten: schnell, laut und bisweilen prollig bis zum abwinken. Positiv fest zu halten bleibt, dass sich im Publikum erfrischend wenig Tough Guy Spinner befinden, sodass keiner befürchten muss im Pit plötzlich auf's Maul zu kriegen. Schönes Ding am Rande: ein Rollstuhlfahrer versucht sich als Crowdsurfer und wird von der Band erstmal auf die Bühne geholt. Schöne Geste und bei "Gotta Go" zum Abschluss rastet der komplette Bereich vor der Bühne völlig aus.

Da ich mich etwas weiter hinten befunden habe bin ich rechtzeitig an der Rodeo Stage um mir Sonny Vincent an zu schauen. Schöner, schnörkeloser Rock, perfekt geeignet für die kleine Bühne, sehr solider Gig der Lust auf mehr macht.

Kommen wir zum ersten Headliner des Freitabends: Feine Sahne Fischfilet. Auf Platte mag ich die Jungs echt gern, live bisher noch nicht gesehen und mit dementsprechend hohen Erwartungen vor der Bühne. Was ich dann zu sehen bekomme ist ein Gig, der meinen Erwartungen leider überhaupt nicht gerecht wird. Irgendwie fehlt die Energie und das Feuer was auf der Platte überspringt live total (und ja, ich weiß wie paradox das klingt). Fällt bei mir leider in die Kategorie gesehen und vergessen, dass Publikum feiert allerdings frenetisch und beim Überhit "Komplett im Arsch" kann ich dann auch nicht aus meiner Haut und gröhle aus vollem Halse mit (wohl auch in dem Wissen, dass ich mich nach dem Rodeo genau in diesem Zustand befinden werde).

Freeway Cash machen Country. Joa, mehr kann man eigentlich nicht dazu sagen. Nichts was groß in Erinnerung bleibt, wobei der Song "Ich bin so voll wie die A40 morgens um halb 8" mir schon allein wegen seines Titels immer noch im Kopf rum spukt.

HEADLINER TIME: Es spielen für sie REFUSED! Und wie. Beim Vainstream vor einigen Jahren hat die Band mich ja schon weg geblasen, dass hier ist dann nochmal eine Stufe größer. Hier passt wirklich alles: Songauswahl, Sound, Spielfreude, Energie. Die Jungs haben Bock und man merkt's mit jeder Faser des eigenen Körpers. Fantastischer Gig einer fantastischen Band, bei "New Noise" gibt's endgültig kein Halten mehr und 70 Minuten vergehen wir im Flug. Wie ich gelesen habe sind Refused im Herbst dieses Jahres als Support von Rise Against bei ein paar Gigs dabei, welche aufpassen sollten nicht komplett an die Wand gespielt zu werden und ihre Kiddiefans warnen sollten, nicht das denen noch der Kopf explodiert bei soviel roher Energie.
Im Anschluss treffe ich noch eine alte Arbeitskollegin am Bierstand, es wird noch etwas getrunken und gefeiert und dann geht's in die Koje, denn der Samstag wird auch wieder ein langer Festivaltag werden.


Samstag

Es geht doch nichts da drüber um 8 Uhr morgens vom Nachbarzelt mit den Kassierern geweckt zu werden. Vier Stunden Schlaf reichen ja auch dicke, also versuch ich erst gar nicht die Augen wieder zu zu machen, sondern erhebe mich in Richtung Wasserstelle um die Morgentoilette durch zu führen. Danach stellt sich die wirklich wichtige Frage nach dem Frühstück, sprich: Gehe ich zum Frühstückswagen und hol mir 'n belegtes Brötchen oder schmeiß ich den Grill an? Kurz nachgedacht und schon lag die Wurst auf dem Rost, Bierchen in der Hand, das Frühstück der Champions.
Um 13 Uhr geht es dann los mit Livemusik und er ist tatsächlich da, live und in Farbe: das Bernsteinzimmer der guten Musik, der Arbeiter der Liebe, Mr. Christian Steiffen. Und wie gut das er hier ist und wie gut das er wieder für uns singt. Tolle Show, richtig gute Stimmung allenthalben und richtig viel Publikum. Letztes Jahr war gut, dieses Jahr war fantastisch. Das Publikum frisst Steiffen aus der Hand, der haut einen Hit nach dem nächsten raus und spielt auch etwas aus seinem kommenden Album "Ferien vom Rock'n'Roll", ich bin jetzt schon voller Vorfreude und fühle mich Disco. Aprospos: Kleiner Filmtipp am Rande, "Ich fühl mich Disco" ist ein wirklich gelungener Film in dem Steiffen selber auch mitspielt. Trashästhetik trifft auf Gefühl: charmant, witzig, einfühlsam. Persönlich hoffe ich das Christian Steiffen nächstes Jahr wieder mit dabei ist, einen besseren Einheizer für einen Festivaltag kann man sich eigentlich kaum wünschen.

Die darauf folgenden Authority Zero kenn ich nur von ein paar YouTube Videos und der Tatsache das sie in den USA mit Less than Jake und Reel Big Fish unterwegs waren. Nach Steiffen hat sich der Platz vor der Bühne zwar schon sichtlich geleert, hält die Band aber nicht davon ab alles zu geben und ihre Interpreation typisch kalifornischen Skatepunks zündet bei mir voll durch. Fand ich richtig gut, schäme mich die Band bisher mehr oder minder ignoriert zu haben und verspreche mich mit ihnen auseinander zu setzen, damit ich beim nächsten Mal zumindest die Songs kenne.

Es folgen Lions Law aus Frankreich. Oi/Streetpunk, schnell, auf die Fresse, leider aber auch ebenso schnell eintönig. Mich kickt's nicht so wirklich, die anwesenden Skins hingegen umso mehr. War für zwischendurch ok und mit knapp 30 Minuten auch nicht zu lang.

Zweiter Teil von "Ich schäme mich die Band nicht auf dem Radar gehabt zu haben", diesmal mit den Dictators. Eine Band die ich nie auf dem Zettel hatte, dafür jetzt umso mehr und sei es nur weil Ross The Boss (ja, genau DER Mann der auf den ersten 5 Manowar Alben Gitarre spielt und allein deswegen vollkommene Verehrung verdient) bei den Jungs spielt. Das ist aber natürlich nicht der Hauptgrund. Seit knapp 40 Jahren ist die Band wohl schon unterwegs, das Alter merkt man den Herren allerdings nicht an. Irgendwo zwischen Heavy Rock und Proto Punk haben es sich die Songs gemütlich gemacht, hier und da blitzt ein Riff auf, dass auch so von den Ramones stammen könnte, das nächste erinnert dann wieder ein wenig an AC/DC, etc. Schöner Gig, der auch vom Publikum voll angenommen wird.

Es gibt so Bands bei denen freue ich mich immer wieder wenn ich sie irgendwo sehen kann, Pascow ist definitiv eine von ihnen. Live immer ein Garant für Vollgas und Energie gekoppelt mit cleveren Punkrock. So auch heute, Sänger Alex gibt wie immer alles, flucht und faucht in sein Mikro und lässt sich bei "The Strongest of the Strange" durch's Publikum tragen. Fokus liegt von der Songauswahl mehr auf den letzten beiden Alben aber auch ein paar Nummern von "Nächster Halt gefliester Boden" haben ihren Weg ins Set gefunden, ebenso wie ein Song von "Geschichten die einer schrieb". Leider war der Sound direkt vor der Bühne stellenweise recht matschig, ändert aber nichts daran, dass Pascow abgerissen haben. Einzig das "Trampen nach Norden" fehlte hab ich zu bemängeln.

Folkloristischer wird es dann bei den Real McKenzies. Dudelsäcke umgeschnallt, Gitarre aufgedreht, it's party time. Erbarmungslos mittanz- und gröhlbar spielt die Band auf, Körper fliegen durch die Gegend und es ist einfach nur eine Riesengaudi. Schön war's, auf dein baldiges Wiedersehen, ich hab bis dahin ja einige blaue Flecke als Erinnerung.

Die Shitlers auf der Rodeo Stage habe ich verpasst, da ich mir was zu essen gegönnt habe. Ich habe mir allerdings sagen lassen, dass due Band eine Fakeband samt Vollplayback hat auftreten lassen. Interessanter Ansatz und so ein wenig bereue ich das nicht live erlebt zu haben.

Live erlebe ich dafür die Berliner von Knorkator und holla ist das eine interessante Show. Das die Jungs spielen können, trotz des extremen Chaotenimages, sollte mittlerweile bekannt sein und wird auch hier wieder belegt. Ein wilder Mix aus Metal, Punk und NDH auf den das Publikum zwar nicht so furchtbar anspringt, es den Jungs auf der Bühne aber sichtlich Spaß macht. Auch nicht so wirklich meine Tasse Tee aber ich verbuche es zumindest unter erinnerungswürdige Erfahrung.

Es folgt: Power aus Skandinavien mit den Satanic Surfers. Zuletzt von mir vor 12 Jahren oder so gesehen bin ich sehr gespannt wie gut die Band gealtert ist. Die Antwort ist dann eben so banal wie großartig: gar nicht. Also natürlich sind die Herren älter geworden, die Musik ist aber weiterhin zeitloser Punkrock mit Melodielinien, die sich um Gehörgang fest beißen und ihn so schnell nicht mehr verlassen. Macht richtig richtig Spaß und schlägt den Zahn der Zeit quasi aus dem Gesicht des Universums. Coole Band, tolle Musik, in Zukunft gern öfter.

Da bekanntlich das Schlimmste ist wenn das Bier alle ist hol ich mir am Stand noch schnell ein Neues, dann jetzt kommen die mächtigen Kassierer. Was soll man zu den Jungs noch groß sagen: Wölfi zieht sich aus, das Publikum zieht sich aus und stürmt nackt zur Bühne, jede Zeile kann mit gesungen werden, jeder Klassiker wird gespielt. Typische Kassierershow, immer wieder lustig aber beim vierten, fünften Mal sehen nutzt es sich leider so langsam ab. Sonst gibt's aber nichts zu meckern.

Die ABBA Coverband lass ich mir dann entgehen, soll aber sehr gut gewesen sein und nur die Hits raus gehauen haben. Aprospos Hits, die gibt es nun auch en masse, denn der Savior of Rock 'n' Roll Danko Jones betritt mit seiner Band die Bühne. Was folgt ist pure Power und Testosteronwerte die jeden Bodybuilder neidisch machen dürften. Ich bin immer wieder beeindruckt mit welch simplen Songwriting man richtig großartige Songs basteln kann. Kaum einer hat wirklich mehr als 3, 4 Akkorde aber es grooved wie Hölle, gefühlt jeder Song ein Hit und hoch über allem thronen die Übernummern "First Date" und "Lovercall". Ganz großes Rock'n'Roll Tennis, ich fühle mich nur vom zu sehen männlicher als je zuvor, ich glaub ich werde mir jetzt einen Bart wachsen lassen und Holzfäller in den wilden Wäldern Kanadas werden.

Bevor ich diesen Plan allerdings umsetzen kann fällt auf der Rodeo Stage schon der Startschuss für Love A. Interessantes Gebräu aus New Wave, Punk und Indierock. Ist atmosphärisch, holt mich ab und kommt auch beim übrigen Publikum gut an, freut mich für die Jungs.

Zum Abschluss des Abends gibt's dann noch Legendenzeit mit den Stiff Little Fingers und wow, die alten Herren wissen auf jeden Fall noch wie man rockt. Klar, die Band gibt es seit fast 40 Jahren und dementsprechend routiniert wird das Set runter gebolzt aber an Spielfreude scheinen sie in all den Jahren nicht verloren zu haben. Gelungener Abschluss eines gelungen zweiten Festivaltages, voller Vorfreude auf den dritten Tag geht's in Richtung Zeltplatz. BTW: Was ist eigentlich aus der Punkrockdisco als After Show Feier geworden? Bring it back!


Sonntag


13 Uhr fängt laut Plan Götz Widmann an, da de Mann letztes Jahr aber auch schon etwas eher als laut Plan begonnen hat beschließe ich mich schon gegen 12.30 Uhr vor der Bühne ein zu finden. Eine gute Entscheidung: zum einen wird der Platz noch richtig voll, zum anderen fängt Widmann auch dieses Jahr wieder vor dem angesetzten Startzeitpunkt an. Nette Geste für die Fans auf jeden Fall ein längeres Konzert als angegeben zu spielen. Und der Urvater des deutschen Liedermaching ist gut drauf und verbreitet Spaß. Guter Gig, guter Typ der Götz und für eine 13 Uhr Matinee Vorstellung, ähnlich wie Christian Steiffen gestern, genau der richtige Mann.
Es folgen die Fliegen. Über das Wochenende entwickelte es sich immer mehr zu einem offenen Geheimnis, dass es sich hierbei um Dritte Wahl unter einem Pseudonym handelt. Ist auch so, ich selbst finde es etwas schade, da ich im Vorfeld auf Soundcloud n Band namens Die Fliegen gefunden habe die recht interessanten experimentellen LoFi Rock machen, hätte ich wohl auch gern gesehen aber hey, hier sind Dritte Wahl und die sind live immer eine Bank. Den Ruf bestätigen sie auch dieses Mal wieder, ein paar Songs vom neuen Album "Geblitzdingst" werden gespielt, viele Klassiker. Dazu werden ein paar Konfettikanonen gezündet, gute Party für den frühen Nachmittag.

The Godfathers verpasse ich, da ich kurz auf dem Parkplatz war und mich auf dem Rückweg mit einer sehr netten Securitydame verquatsche. Überhaupt mal ganz dickes Lob an das diesjährige Securityteam. Sehr ruhig, auch beim wildesten Crowdsurfen front of stage, immer sehr freundlich und einfach gut drauf. Neben dem Open Flair 2013 die bisher beste Erfahrung die ich mit einer Festivalsecurtiy erlebt habe.

Pünktlich zur Knochenfabrik bin ich wieder auf dem Gelände und diese Band ist einfach ein Phänomen. Das klingt stellenweise so unsauber und dahin geschludert, dass man das Gefühl hat diese Band probt nie (was sie wahrscheinlich auch wirklich nicht tut) aber das Ganze strahlt so einen Charme aus, dass es einen einfach gefangen nimmt. Das war schon beim Unplugged Gig vor zwei Jahren so, dass ist auch dieses Jahr wieder so. Auch wenn ich selbst Chefdenker für Clauss bessere Band halte (wobei: nichts geht über Casanovas Schwule Seite) ist die Knochenfabrik live jedes Mal ein Riesenspaß.

Als nächstes stehen The Exploited auf dem Zettel und mein Gott, ich hab im Vorfeld ja schon nicht so ganz viel erwartet aber das hier ist weitaus schlimmer als befürchtet. Wattie selbst wirkt gelangweilt und alles was bei mir ankommt ist Geschrei und Geschrammel. Nichts gegen 2/4 Takt Geballer aber so ein wenig Abwechslung wäre schon nett. Bisher auf jeden Fall für mich das absolute Low Light des Festivals aber immerhin gewinne ich Punkcredibility weil ich Exploited mal live gesehen habe, wenigstens etwas...

Als nächstes folgt die Band, die im Vorfeld für die größten Diskussionen gesorgt hat, die Hip Hop Kombo Antilopen Gang. Auf der einen Seite waren die Leute, die meinten Rap würde nicht zum Rodeo passen, auf der anderen die, die sich dafür stark gemacht haben für alles offen zu bleiben und sich auf die Antilopen Gang freuten. Die entsdcheidene Frage also: Hat es gepasst? Und wie! Die Truppe brennt hier wirklich Feuerwerk allererste Güte ab. Die Beats sind stellenweise ultrafett, die Texte passen auch einfach perfekt zu einem Festival wie dem Rodeo und könnten so auch von manchen Politpunkband stammen. Das Publikum nimmt es auch gut auf und einige äußern sich nach dem Gig überrascht wie gut die Jungs doch waren.

Dick York fällt leider aus auf der Rodeo Stage, dafür wurde als Ersatz kurzfristig Zwakkelmann angeheuert, der es auch noch geschafft hat seine Band mit zu bringen. Mittlerweile gehört der Mann ja zum Inventar des Ruhrpott Rodeos und sollte meiner Meinung nach jedes Jahr direkt gesetzt sein. Für die kürze der Zeit ein starkes Set, Liedermacherpunk der das Herz erfreut.

Als ich zu Mudhoney in Richtung der Ruhrpott Stage gehe tue ich das mit der festen Überzeugung, dass mir die Band vermutlich nicht gefallen wird. Wirklich viel, ausser "Touch me (I'm sick)" kenn ich von der Band auch nicht, weiß aber natürlich um ihren Einfluss auf Nirvana, Pearl Jam und Grunge allgemein. Da Grunge allerdings so gar nicht mein Genre ist habe ich mich mit Mudhoney nie weiter auseinander gesetzt. Ein Fehler wie sich heraus stellt, denn das ist eine richtig gute Band. Vom Sound her auch ein wenig untypisch für's Rodeo aber richtig schön nach vorn. Ich bin mehr als nur positiv überrascht und schreib mir die Band auf jeden Fall auf den Zettel zum Thema "sollte ich mir mal mehr von anhören". Schöne Show auf jeden Fall.

White Hills dann auf der Rodeo Stage sagen mir leider absolut nicht zu, sodass ich nach zwei Songs wieder gehe. Ähnlich wie Mudhoney, nur zündet's jetzt bei mir einfach nicht.

Das Ende nähert sich mit riesigen Schritten, noch 5 Bands stehen auf dem heutigen Spielplan und die haben es eigentlich alle in sich. Den Anfang macht Sondaschule, Ska Punk aus Deutschland und auch wenn mir das letzte Album nicht so wirklich zu gesagt hat eine fantastische Liveband. Stimmung, Tanzen, Sonnenschein um 21 Uhr abends. Eigentlich schon viel zu oft gesehen aber immer noch mitgerissen, feiner Start in das Headliner Quintett.

Hier folgen auf der Rodeo Stage The Baboon Show. Vor zwei Jahren schonmal nachmittags auf der Ruhrpott Stage unterwegs bekommen sie dieses Jahr einen der wichtigen Abendslots auf der kleinen Bühne. Musikalisch bewegt sich das für mich im Bereich ok, female fronted Punkrock hab ich auch schon entschieden schlechter gehört. Was hier aber absolut alles raus reißt und den Gig zu etwas ganz besonderen macht ist die unglaubliche Energie die die Band auf die Bühne bringt, da wird man vom bloßen zusehen schon mit gerissen und kann eigentlich gar nicht anders als tanzen, die Musik wird da schon fast nebensächlich. Auf jeden Fall ein absolutes Must See wenn man die Leute live sehen kann aus meiner Sicht.

Mit New Model Army gibt sich dieses Jahr wieder eine absolute Legende die Ehre. Die Army hat ja auch die wunderbare Fähigkeiten Songs zu schreiben die einen umspinnen wie ein Netz und nicht wieder los lassen und dazu eine wirklich dunkle Atmosphäre zu kreiren. Vor ein paar Monaten hab ich die Band noch in einem kleinen Club in Coesfeld gesehen und war ein absoluten Highlight, auf die große Bühne lässt sich leider nich tganz transportieren. Trotzdem ein guter Gig mit der ein oder anderen Rarität im Set und eines Headliners absolut würdig.

Headliner der Rodeo Stage sind die Lokalmatadore. Auch so etwas wie die Haus und Hof Band des Rodeos und normalerweise absolutes Material für die Ruhrpott Stage. Das merkt man auch am Publikum, denn es steht sich wirklich sehr sehr kuschelig so eng aneinander gepresst. Die Lokalmatadore spielen quasi 30 Minuten lang ein reines Best of Set, mit Klassikern wie "Geh'n wie ein Proll" und "Fussball, Ficken, Alkohol". Passt wirklich alles bei dem Gig, auch wenn 30 Minuten wirklich arg schnell vorbei sind.

Last but not least stehen dann die Adicts als letzte Band des diesjährigen Ruhrpott Rodeos auf der Bühne. Kurzum: was da so an Show aufgefahren wird ist wirklich aller Ehren wert: Konfettikanonen, der Sänger als Droog von Clockwork Orange geschminkt, Girlanden überall, das macht schon was her, musikalisch ist's leider nicht so toll. Im Prinzip das gleiche Set wie vor zwei Jahren hat das hier ein wenig was von Altherrenpunk. Nicht schlecht aber auch nichts was mir länger im Gedächtnis bleiben wird. Jetzt noch ein letztes Mal zum Zelt, schlafen, morgen einpacken und dann endet das Ruhrpott Rodeo 2015 auch schon. Was bleibt fest zu halten: Es war wieder mal ein sehr rundes Erlebnis. Die Bands waren größtenteils wirklich gut, die Organisation funktionierte auch bermerkenswert gut mit den beiden Bühnen und in Sachen Infrastruktur wurde mit dem neuen Campingplatz auch alles richtig gemacht, nächstes Jahr bitte so bei behalten.
Das Ruhrpott Rodeo hat sich für mich in den letzten Jahren zu einem absoluten Pflichtfestival gemausert und bietet für einen recht schmalen Eintrittspreis wirklich ein fantastisches Preis-/Leistungsverhältnis.

von Marcel Berges


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