Archive wagen das Experiment
Ein Art-Rock-Konzert mit Film statt Vorgruppe
Bielefeld (ml) Letzte Woche haben Archive im Ringlokschuppen Bielefeld gespielt. Die Prog-/Post-/Art-Rock-Band aus London hat dort ein Konzert vor 400 Besuchern in der kleinen Halle gegeben. Als Vorgruppe hatten Archive ihre eigene Musik in Form eines Schwarz-Weiß-Films mit dabei.Archive sind nicht nur eine Band, sondern ein ganzes Künstlerkollektiv. Foto: Marcel Linke
Das ist mal ein ungewöhnlicher Konzert-Auftakt. Statt einer Vorgruppe geht es heute mit einem Film los. Das kommt
Fotos zum Konzert Homepage von Archive |
Nachdem Archive ihr Album "Axiom" veröffentlicht haben, wollten sie diesem bewegte Bilder spendieren. In mehreren Kapiteln wird die Story einer postapokalyptischen Welt nach dem dritten Weltkrieg in Schwarz-Weiß erzählt. Der Film ist ein Mix aus Horrorelementen, auch Elementen der Propaganda-Filme des zweiten Weltkriegs und auch Musicalelementen. Englisch ist zum besseren Verständnis des Films zwar erforderlich, aber keine zwingende Voraussetzung. Gerade untermalt mit der Musik, die auf dem Konzert natürlich über die Konzert-PA kam, kann man die Bildgewalt auch so auf sich wirken lassen. Und das tat das Bielefelder Publikum auch leise und konzentriert.
Wer es nicht zu einem der Archive-Konzerte schafft, den Film aber trotzdem sehen möchte, der kann sich auf der YouTube-Seite von Archive umschauen. Hier gibt es den gesamten Film nochmal zum Ansehen.
Obwohl es keinen Support gibt, dauert der Umbau trotzdem eine knappe halbe Stunde, bis Archive mit "Feel It" starten. Spätestens ab dem zweiten Song wissen auch diejenigen im Publikum, die Archive nicht so gut kennen, dass diese Band ein abwechslungsreiches Programm bietet. Nur wenige Musikgruppen spielen jeden Song in anderer Besetzung und mit anderen Sängern. Wird "Feel It" noch von Dave Pen gesungen, kommt für "Kid Corner" und "You Make Me Feel" Holly Martin zum Einsatz.
Archive können sich durch einen beeindruckenden Soundteppich, sehr geprägt von den 70er Jahre Prog-Rock-Zeiten, profilieren. Interaktion mit dem Publikum gibt es dabei nicht. Die Musiker konzentrieren sich voll und ganz auf ihr Handwerk, komplett ohne Ansagen. Auch das Publikum muss der Musik nur lauschen. Es wird wenig geklatscht während der Songs und noch weniger mitgesungen. Man muss die Musik einfach nur auf sich einwirken lassen. Das reicht aber auch, denn was da über die Anlage kommt, wird musikalisch von nur ganz wenigen Bands getoppt. Speziell nicht von Gruppen, die, wie Archive in der kleinen Halle des Ringlokschuppen spielen.
Der Altersschnitt bei diesem Konzert ist heterogen über alle Generationen verteilt. Es sind viele ältere Konzertbesucher da, denen man sofort glauben würde, wenn sie einem erzählen, dass sie Pink Floyd und Genesis noch in den 70ern live erlebt haben.
Neben den sehr ruhigen von sphärischen Klängen geprägten Songs, wie "Dangervisit" oder "Black and Blue" spielen Archive auch sehr energieaufgeladene Songs. "Bullets" ist zwar minimalistisch angehaucht, legt aber ein hohes Tempo bei, was den minimalistischen Sound zusätzlich unterstützt. "Ruination" klingt schon fast poppig und erinnert an die alten Bloc Party-Songs. Genau, wie das anschließende "Crushed" ist es geprägt von Schlagzeug-Beats und lauten verzerrten E-Gitarren. Auch "Conflict" hat denselben Schlagzeug-Beat. Die Songs gehen nun mittlerweile ziemlich fließend ineinander über.
Genauso wie ihre Songs haben Archive auch ihr Konzert aufgebaut. Viele Songs fangen langsam an, erreichen dann irgendwann einen vorläufigen Höhepunkt, um dann wieder ruhig weiterzumachen und zum Schluss den richtigen Höhepunkt zu erreichen. Nach den lauten Songs geht es nun auch wieder ruhig weiter. "End Of Your Days", "Third Quarter Storm", "Bridge Scene" und "Ladders" haben das Tempo raus genommen und bereiten auf den absoluten Höhepunkt vor. "Numb" beendet das Set.
Als Zugabe folgt der 18-minütige Song "Lights", den man quasi als Zusammenfassung des bisherigen Konzerts verstehen kann. "Lights" ist nicht nur ein grandioser Abschluss, zugleich dürfte es auch der beste und energievollste Song von Archive sein.
Auf alle Fälle steht hier ein einziges Lied für das komplette Schaffen einer Band, die einzigartig und außergewöhnlich ist.