Thees Uhlmann in Lingen
Mehr Songs als Stories
Lingen (ml) Es sind besondere Zeiten, in denen wir leben. Dass ich während der Pandemie überhaupt mal ein Konzert fotografiere oder darüber schreibe, damit hätte ich im März oder April nicht gerechnet. Großveranstaltungen fallen immer noch aus. Touren werden auch immer noch fleißig verschoben. Aber dann gibt es noch Hygieneschutzkonzepte und eben die haben es ermöglicht, dass ich dieses Jahr noch über ein Thees Uhlmann-Konzert in Lingen berichten kann.Coronabedingt schrumpft die Band um Thees Uhlmann auf Trio-Größe zusammen. Foto: Marcel Linke
Eine Vorgruppe gibt es heute nicht. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Arena Sommergarten spielt Thees Uhlmann vor der Emsland Arena. Das Konzert ist für 19:30 Uhr angesetzt. Da es aber noch etwas dauert bis die Besucher sich auf ihre zugewiesenen Plätze begeben - eine freie Platzwahl gibt es zwecks Infektionskettennachverfolgung
Bilder zum Konzert Homepage von Thees Uhlmann |
Thees Uhlmann kommt mit "Fünf Jahre nicht gesungen" auf die Bühne. Und auch wenn wir erst im letzten Dezember über ein Konzert von ihm berichteten, fühlte es sich doch an, als ob fünf Jahre lang niemand gesungen hat. Die Band um Thees Uhlmann ist heute in kleiner Besetzung angereist. Es sind nur noch Simon Frontzeck und Rudi Maier mit auf der Bühne. Eine coronabedingte Vorsichtsmaßnahme. So lassen sich zwischen den Musikern auf der Bühne als auch im Bandbus Abstände besser einhalten.
Abstand ist auch ein gutes Stichwort im Publikum. Das Konzert ist komplett bestuhlt, zwischen den Reihen so viel Platz, dass ich mir bei meiner Größe so einen Abstand überall wünschen würde, wo man auf Sitzen in Reihen hintereinader sitzt. Die Stretch Limo und den First Class-Flug kann ich mir leider trotzdem nicht leisten.
Rund 500 Besucher sind gekommen. Auf einem Gelände, welches über 10.000 Menschen fasst, ist das nichts. Mit Gewinn geht hier vermutlich heute niemand raus. Aber mit dem Gefühl mal wieder was getan zu haben und dank der Abstände sieht das Gelände zumindestens optisch gut gefüllt aus.
Thees Uhlmann ist übrigens auch in bester Spiellaune. Das liegt vielleicht auch daran, was er direkt zu Anfang des Konzertes voller Stolz verkündet. Er hat jetzt eine Freundin. "Nach zehn Jahren hätte ich damit nicht gerechnet.". Diese ist aber trotzdem froh, dass Thees auch in diesen Zeiten endlich mal wieder unterwegs auf Tour ist. Sie hätte ihn sonst wohl irgendwann mit einem Hammer erschlagen meint der Hamburger Wahl-Berliner auf der Bühne.
In diesen Zeiten ist es Thees Uhlmann wichtig, dass man nicht nur mit ihm, sondern auch über ihn lachen kann. Punkte, wo ich über Thees lachen sollte, finde ich zwar sehr wenig, aber seine Jokes strengen dennoch die Bauchmuskeln an. Einige bestimmt fiktiv, etliche aber direkt aus dem Leben gegriffen. Zur ersten Kategorie gehört der bei Thees Uhlmann-Fans allseits bekannte Spruch, dass Casper nicht kommen konnte, weil er auf einem Hip Hop Jam ist. Dieser findet dieses Mal zwar nicht in Los Angeles statt, aber in Bremen. Okay, hmm, dann war Casper wohl die anderen Male auch nicht auf einem Hip Hop Jam. Denn heute und gerade in diesen Zeiten findet bestimmt kein Hip Hop Jam statt und schon gar nicht in Bremen.
Der folgende Song ist klar: "Und Jay-Z singt uns ein Lied" bei dem Thees mittlerweile auch den kompletten Rap-Part mitrappen kann.
Mit Rappern geht es gleich weiter. Dieses Mal aber mit einer Anekdote, die aus dem Leben gegriffen ist. Beziehungsweise mit einer nachweisbaren Meldung. Haftbefehl, der Rapper, hat sich nämlich mit einer geladenen Pistole im Alkoholrausch versehentlich in den Oberschenkel geschossen. "Toll, wenn die Leute noch authentisch sind.". Mit "Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt." folgt allerdings eine Abrechnung mit dem Genre Gangster-Rap und eine Kritik an das Machogehabe dort.
Aber auch der Stadt Lingen macht Thees Uhlmann immer wieder Komplimente. So bedankt er sich bei Stefan Epping von der Emsland Arena, der ihn und seine Band immer wieder nach Lingen geholt hat. In Lingen hat er damals schon mit Tomte im Schlachthof gespielt. Es ist also eine Geschichte mit langjährigem Bezug, die ihn immer wieder in die Stadt getrieben hat.
Die Songs sind aufgrund der Trio-Besetzung alle ruhiger vorgetragen, als sonst, wenn die komplette Band auf der Bühne steht. Das passt auch zur Sitzplatzkonstellation im Publikum. Man hat gar nicht das Bedürfnis großartig mitzusingen oder zu tanzen. Man möchte den Anekdoten des Sängers zuhören und den Songs lauschen. Die Stories handeln über die Scorpions, über das Mädchen von Kasse 2 im Slayer-Shirt, welches sich total gefreut hat, dass Thees einen Song über sie geschrieben hat und über die Meinung von Thees Uhlmanns-Mutter zum Fisch-Song. Gespielt werden "Was wird aus Hannover", "Ich sang die ganze Zeit von dir" von Tomte sowie "Liebeslied" von Die Toten Hosen. Hier darf dann auch mal über Thees gelacht werden, als Thees berichtet, wie es dazu kam, dass der Düsseldorfer Express Thees Uhlmann als Eisverkäufer bezeichnet hat. Und anders als ursprünglich für die Tour "Songs & Stories" geplant, liest Thees Uhlmann nichts mehr vor. Mit der Begründung, dass er in der Vergangenheit nun schon so oft vorgelesen hat. Damit hat er ja auch Recht. Mehr Zeit also für Lieder.
"Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf" markiert dann auch den Schlusspunkt vor dem Zugabenblock. Ein Blick auf die Uhr verrät, es ist gerade Mal 9 Uhr. Das wird heute ein arbeitnehmerfreundliches Konzert. Und bis auf einen Regenschauer vor dem Konzert und einem sehr kurzen zwischendurch blieb es sogar trocken. Zurück kommt Thees Uhlmann mit einem Song einer Band, deren Sänger wohl mit zu den Best Buddies von Thees gehört. "48 Stunden" von Kettcar spielt das Trio live auf der Bühne. Und selbst dieses Lied klingt in der Art, in der das Konzert heute gestrickt ist, wie eine ruhige Version des schon ruhigen Originals. Auch der nächste Song, ist ein Quasi-Cover. "Die Schönheit der Chance" von Thees' alter Band Tomte darf mittlerweile auf keinem seiner Konzerte mehr fehlen, bevor "Ein Satellit sendet leise", die Menge um halb Zehn in die noch junge Nacht dieses Donnerstagabends entlässt.
Es war mal wieder gut ein Konzert zu sehen, besonders eines von einem Künstler, den man sehr schätzt. Und trotz dieser komischen Zeiten war die Unbeschwertheit auch wieder da. Natürlich erinnert die Maske, die man auf den Wegen, wenn man den Platz verlässt, tragen muss: Hey, das ist immer noch Pandemie. Auch die Sitzplatzabstände erinnern daran. Aber, was lange Zeit auf Eis gelegt war, scheint zumindestens begrenzt wieder möglich zu sein. Jetzt wird es kälter, es kommt eigentlich die Indoor-Saison. Open Airs im Winter sind nicht ganz so toll, aber auch möglich. Mal schauen, wie es jetzt in der näheren Zukunft weiter geht, oder ob es wieder ein halbes Jahr dauert, bis ich mal wieder Live-Musik höre und darüber berichte.