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Fest van Cleef 2011

Casper und Thees beenden ersten Abend

Bielefeld (m2w)    Bis in die frühe Samstagnacht hinein ging die erste von drei Fest van Cleef-Shows, die am Freitag Nachmittag in Bielefeld startete. Ein grandioses Finale bot Casper, der zusammen mit Thees Uhlmann "XOXO" performte.


Das Grand Hotel van Cleef zelebriert sich selbst und das vollkommen zu Recht. Denn erneut gelang es dem Selfmade Label ein Indoor-Festival mit einer interessanten Mischung aus mehr oder weniger bekannten Künstlern aus verschiedenen Genres auf die Beine zu stellen. Verteilt auf zwei Bühnen waren diesmal dabei: Ghost of Tom Joad, Maike Rosa Vogel, Frank Turner, Moritz Krämer,  ClickClickDecker, Element of Crime, Thees Uhlmann und schließlich der Bielefelder Lokalheld Casper. Music2Web.de war für Euch vor Ort und hat sich einen langen Abend voller Musik gegönnt.

Letztes Jahr  hat Thees Uhlmann noch gesagt, dass das Fest van Cleef auf keinen Fall zwei mal hintereinander in der gleichen Stadt stattfinden wird. Gott sei Dank hat er sich geirrt und Bielefeld kann froh und dankbar sein, auch dieses Jahr ein hochkarätiges Line Up mit gleich 8 tollen Künstlern im Ringlokschuppen begrüßen zu dürfen. Gehen wir chronologisch vor.


Ghost of Tom Joad (Fotos)

Bereits um 18:00 ist der große Saal des Ringlokschuppens, der Bühne 1 beherbergt, zur Hälfte gefüllt. Folglich gehen die drei Jungs von Ghost Of Tom Joad enthusiastisch zu Werke. Man sieht ihnen die Spielfreude deutlich an und man merkt sofort, die haben richtig Bock heute hier zu spielen. Das Publikum lässt sich von der offensichtlich guten Laune anstecken und klatscht munter mit. Die Resonanz ist gut, der Applaus laut. Die Band aus Münster startet flott in den Abend und überzeugt nicht allein durch ihre Musik. Auch die Bühnenperformance ist bemerkenswert. Vor allem Bassist Jens gibt alles. Neben Hits, wie "Into The Wild" und "Renegades Of Love" sind Songs aller drei Alben vertreten und so markieren Ghost Of Tom Joad einen gelungenen Start in eine lange, musikalische Nacht.


Maike Rosa Vogel (Fotos)

Der gar nicht mal so kleine "kleine" Saal des Ringlokschuppen, in dem sich die zweite Bühne befindet, ist prall gefüllt. Nach einführenden Worten von Thees Uhlmann betritt Maike Rosa Vogel barfuss die Bühne und beginnt ein minimalistisches Set, das an großen Momenten nicht geizt. Der Fokus liegt klar auf ihrer Stimme und den Worten. Ihren Gesang begleitet sie selbst auf der Acoustic-Gitarre, selten noch auf der Mundharmonika. Das ist ehrliche Musik, sie muss nicht laut sein, um zu überzeugen. Also schweigt das Publikum, hört genau zu und staunt. Als der erste Song endet, reißt lauter Applaus die Stille auseinander. Im zweiten Song ''Du kannst alles sein'' singt Maike von den vielen Möglichkeiten, die unser Leben uns bietet, die wie aber nicht ergreifen, wenn es sich nicht richtig anfühlt. ''Aber ich hab's nicht gefühlt'': solche Textzeilen sind eindringlich, treffen ins Herz und bleiben darin stecken. Maike Rosa Vogel bringt dich zum Nachdenken, wühlt auf und lenkt die Aufmerksamkeit auf die kleinen Dinge. Songs wie "So hab ich dich bei mir" sind live noch authentischer als auf Platte. Inhaltlich gibt es neben dem Emotionalen auch eine zweite Ebene. In sozialkritischen Songs – z.B. "Faule Menschen" - macht sich ihre Frankfurter Herkunft bemerkbar.
Im wesentlichen spielt Maike Rosa Vogel heute neue Songs und nur wenig von den bereits erschienenen Alben ''Golden'' und ''Unvollkommen''.  Doch ''Las Vegas'' und vorallem der letzte Song ''Für 5 Minuten'' machen Vorfreude auf das im nächsten Frühjahr erscheinende neue Album.


Frank Turner (Fotos)

Zurück an der großen Bühne wartet schon der große Applaus. Von Thees ''als der Sohn von Tina'' angekündigt, erobert Frank Turner die Bühne. Er wird entgegen vorheriger Ankündigung nun doch von seiner Band begleitet und das ist auch gut so, denn Bass, Schlagzeug, Keyboard und E-Mandoline machen den Sound druckvoller und die Songs eindringlicher.
Im Interview hat Frank uns verraten, dass seine Erfahrungen mit der Revival-Tour 2009 sein Songwriting beeinflusst haben. Das hört man! Er spielt Folk-Songs mit Punkseele. Mal ruhiger, dann wieder richtig schnell. Es gibt Songs über eine Whiskey trinkende Oma (''Peggy Sang The Blues''), über seine Heimat Winchester (''To Take You Home'') und immer wieder Songs über Rock'n'Roll und Liebe. ''Substitute'' enthält die legendäre Zeile ''music is my substitute for love'' und ''I Still Believe'' beschwört "something as simple as rock'n'roll would save us all". Textlich ist hier einiges zu holen und auch die musikalische Untermalung ist gelungen. So wurde "I Still Believe" zu einem großem Hit im UK, hier in Bielefeld ist er aber anscheinend kaum bekannt. Das Publikum singt, wenn überhaupt, nur leise mit. Was glücklicherweise beim letzten Song des Auftritts ganz anders ist. ''Photsynthesis'' wird zum Crew-Shout, bei dem fast der ganze Saal mitmacht: ''And I won't sit down, and I won't shut up, and most of all I will not grow up''! Frank, das war ne gute Show. Komm bald wieder.


Moritz Krämer (Fotos)

Auf der kleinen Bühne stehen nun zwei Typen, die ebenso unscheinbar aussehen wie ihre Musik wirkt. Nichtsdestotrotz entfalten Moritz Krämer und sein Cellist/Keyboarder Felix mit eindringlicher, ruhiger Gitarrenmusik und ohne große Spielereien eine intime Atmosphäre, die einfängt. Dem Applaus nach zu urteilen kommt das sehr gut an. Die Songs "Wir können nichts dafür", "Nichts getan", oder "90 Minuten" sind ruhig und mit unaufgeregter, beruhigender Stimme vorgetragen. Man hört klare Sätze mit tiefen Botschaften, Texte vom Leben und Akkorde in Mol. Das Publikum lauscht diszipliniert den (halb-)akustischen Klängen. Wem der Name Moritz Krämer noch nichts sagt, dem ist ein Durchlauf seiner aktuellen CD "Wir können nichts dafür" ans Herz gelegt. Fans von Melancholie finden hier den ein oder anderen neuen Lieblingstrack.


Element of Crime (Fotos)

Der Altersdurchschnitt im Publikum liegt heute etwas höher, als bei den üblichen Music2Web-Konzerten. Das mag zu großen Teilen an den Berliner Legenden um Sven Regener liegen. Bei Element of Crime ist der große Saal schon erheblich kleiner geworden, weil mittlerweile so viele Menschen angekommen sind. Das ist ein richtig gut besuchter Abend für das Grand Hotel. Der enge Zeitplan erlaubt es uns nicht über jede Band ausführlich zu berichten und heute fällt das Los auf Element of Crime. Es sei nur soviel gesagt: Dem Publikum hat es sehr gut gefallen und der Applaus wurde mit zunehmender Stunde immer lauter.


ClickClickDecker (Fotos)

Thees nennt Kevin Hamann einen "Bad-Ass-Star" und so passt es, dass der Beginn vom ClickClickDecker-Auftritt durch nerviges Gegröhle einiger Betrunkener gestört wird. Was solls! Begleitet von Oliver Stange an der E-Gitarre beginnt Kevin das Set mit "Wenn Ethna wieder spuckt". Seine markante Stimme über einem sanftem Gitarren-Teppich lässt gerne kalte Schauer über unvorbereitete Rücken laufen. Diese Musik ist ein Phänomen. Ruhig und höchst melodiös schmeichelt sie sich in die Gehörgänge und dann packt sie zu und es wird laut. Und dann schreit er los: Pure Emotion. Die elektronische Bassdrum als Herzschlag unterlegt grandiose Textzeilen. Beispiel gefällig? "Das mit uns liegt glaube ich an dir". Neben Songs vom dritten Album "den Umständen entsprechend" werden auch ältere gespielt. Zum Beispiel "Ich kenne meine Schwächen", oder "Die Suppe schmeckt auch kalt". Als Vorgeschmack auf 2012 sind auch schon einige ganz neue Stücke gespielt worden. Man darf also gespannt sein auf die Dinge, die da auf uns zu kommen.
Trotz der Melancholie die allen Songs inne wohnt, zeigen die beiden Musiker Humor bei technischen Pannen und kleinen Missgeschicken. So wird ein störrisches Mikrofon nicht verteufelt, sondern es wird laut darüber gelacht. Das macht die beiden sympathisch. Bielefeld quittiert diese Einlage mit großzügigem Beifall. Den letzten Song des Abends bildet dann das großartige Peer-Cover "Schutzraum". Eine treffendere Sozialkritik wird es heute nicht mehr zu hören geben: "Wollten wir nicht mehr als das hier? Mehr als ein schöneres Büro?" ClickClickDecker sind oben angekommen. Das wird kein Geheimtip mehr bleiben, wenn nächstes Jahr ein neues Album kommt.


Thees Uhlmann (Fotos)

Am Vortag erst hatte Thees Uhlmann die 1Live-Krone für den besten "Plan B-Act" abgeräumt und darauf ist er anscheinend mächtig stolz. In seine Lederjacke gehüllt stürmt er auf die Bühne. Den Arm hoch in die Luft gereckt, präsentiert er die Krone und erklärt: "and justice has been done!".
Tosender Applaus schallt ihm entgegen. Das letzte Jahr war gut für Thees und das Bielefelder Publikum hat sehnsüchtig auf dieses Konzert gewartet. Die aufgebrachte Geduld wird durch rockige Gitarren und laute Drums entlohnt. Die Songs vom erstem Soloalbum funktionieren gut in der großen Halle und Thees wird mehr und mehr zum Großraumrocker. Erstes Anzeichen dafür ist, dass er nur noch selten selbst zur Gitarre greift. Vor einem Jahr war noch der eine oder andere Tomte-Song im Set enthalten. Das ist dieses Jahr anders, aber das macht dieses Konzert kein bisschen schlechter, die aktuelle Soloplatte strotzt vor gutem Material. Den Anfang macht "Römer am Ende Roms" und "Das Mädchen von Kasse 2" geht raus an alle, "die heute arbeiten, damit wir frei haben". Jeder Song bekommt eine besondere Einleitung, sei es durch eine Widmung oder eine Anekdote. Mit seinem Charme hat Thees das Publikum in der Hand und überwindet sogar die chronische Taktschwäche die große Menschenmengen beim Klatschen so oft an den Tag legen. Bei "Die Nacht war kurz" zeigt Thees dann seine Künste an der Mundharmonika und rockt sich die Seele aus dem Leib. Der Song war gerichtet an alle über 35 Jahre. Denn: "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Älterwerden und Rock'n'Roll nicht mehr gut finden!", wie Thees vor dem Song klarstellte. Den Beweis dafür stellt er selbst dar. Bielefeld sieht ein gutes Konzert, wie wir es von Thees Uhlmann und Band gewohnt sind. Neben schönen Songs gibt es herzliche Stand-Up Comedy, aber für erfahrene Fans keine Überraschungen. Außer einer Sache! Der Song "& Jay-Z sing uns ein Lied" hat auf der Albumversion ein Feature von Casper und der ist ja auch vor Ort. Manch ein Besucher hat sich wohl schon auf einen tollen Gastauftritt eingestellt, aber es kommt dann doch anders. Nicht Casper rappt, sondern Thees selber! Ein wirklich ungewöhnlicher Moment der wohl das einzige ist, über das nach dem Konzert noch lange gesprochen wird.


Casper (Fotos)

Im Vorfeld ist die Anspannung groß. Wie wird sich der kometenhafte Erfolg, den Casper in den letzten Monaten erfahren hat, auf seine Musik auswirken? Der Auftritt bei Tv-Total ist nicht vergessen und dann auch noch die 1Live-Krone für das beste Album 2012! Casper ist oben angekommen, nicht nur in den Charts. Thees kündigt ihn mit den gar nicht mehr so anmaßenden Worten an: Casper, ein Mann der Pop-Deutschland für immer verändern wird! Wir werden sehen. Mit der Erfahrung, die wir bei den Casper Auftritten auf den Parklichtern und beim 1Live-Radiokonzert gewonnen haben, legt Music2Web heute die Kontrastfolie auf. Hat sich Benjamin verändern lassen?

Schon vor Beginn des Konzerts gibt es Grund zur Sorge. Wurde doch bisher der Zeitplan beinahe penibel eingehalten, verspätet sich Casper um eine Viertelstunde. Wenn man bereits 7 Künstler hinter sich hat, können 15 Minuten sehr lang werden. Dann wird es dunkel. Nebel steigt auf. Auf der Bühne befinden sich nun 4 dunkle Gestalten mit Tiermasken auf den Köpfen. "Der Druck steigt" ertönt und aus den Augenhöhlen der Masken strahlen LEDs in den noch immer dunklen, von Nebel erfüllten Saal. Ein imposantes Bild, die große Geste findet Einzug. Soweit so gut. Ein beeindruckender Einstieg in dieses Headliner-Konzert im ausverkauftem Ringlokschuppen. Zum Konzert selber müssen wir nicht viel sagen. Die Songs von "XoXo" bleiben gut und die Band setzt das auch live weiterhin großartig um. Das Publikum gibt sich begeistert. Bei "Blut sehen" gibt es kaum Arme, die nicht im Takt in die Luft gerissen werden. Bei "Auf und Davon" wird laut mitgesungen und bei "Letzte Gang der Stadt" und "Rock'n'Roll" das Pogobein geschwungen. Bei "XoXo" gibt es sogar den ersehnten Gastauftritt von Thees Uhlmann, der wie auch auf der Platte den Refrain singt. Es ist ein wunderbarer Anblick Benjamin und Thees eng umschlungen und freudestrahlend auf der Bühne zu sehen. Casper begeistert, Casper unterhält. Aber was bei genauerer Betrachtung sichtbar wird, stimmt mich nachdenklich.
Die Dinge, die mich vorher an Casper begeistert haben sind verschwunden. Seine energische Bühnenperformance ist zwar geblieben, aber seine Stimme ist nun sehr kontrolliert. Das Halbgeschrei, die Emotion, die er aus seiner Hardcore-Vergangenheit mitgenommen hatte, ist verschwunden. Mir fehlt das. Sein Gesang wirkt nun glatter, ruhiger, uninteressanter. Dazu souveräne, abgeklärte Ansagen und keine! Wall-of-Death zu Rock'n'Roll. Wer die großen Hallen füllen, das große Publikum begeistern will, der darf so wenig wie möglich anecken. Was auf "XoXo" seinen Anfang nahm, findet sich nun auch live wieder. Damit stößt Casper die Tür weit auf. Er überwindet sich selbst und öffnet sich dem Mainstream.

Dadurch kann er die Welt gewinnen, hat mich jedoch verloren.

Das zweite Fest van Cleef in Bielefeld war eine Reise durch verschiedene Musikstile. Da auch dieses Jahr kein einziger Fehlgriff dabei war, hoffen wir auf den Hattrick im nächsten Jahr!
Danke Grand Hotel, Danke an Thees Uhlmann und Marcus Wiebusch und an all die anderen. Ohne das GHvC wäre die deutsche Musiklandschaft eine ganze Ecke langweiliger.

von André Siekmeier

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