Casper im Interview
„Ich finde schlechte Kritiken fast schon besser, als die fünfmillionste Lobhudelei“
Bad Oeynhausen (m2w) von Mailin Erlinger und André Siekmeier - Wir trafen Casper bei den Parklichtern in Bad Oeynhausen zum Interview. Der Bielefelder Rapper verriet uns erste Details vom Musikvideodreh zu seiner kommenden Single Michael X, warum Bielefeld in mancherlei Hinsicht viel schöner ist als Berlin und was ihn an seinem Erfolg nervt.Du hast in den letzten Tagen zusammen mit Turbostaat das Musikvideo zu deiner nächsten Single Michael X in Husum gedreht. Wie wars?
Der Drehplan hat sehr viel Urlaub und Erholung versprochen, aber es war tatsächlich total stressig. Wir konnten nur im Morgengrauen und in der Abenddämmerung drehen. Deswegen mussten wir morgens um 3 Uhr aufstehen, sodass wir von 4 Uhr bis 9 Uhr drehen konnten. Dann haben wir den ganzen Tag gepennt und anschließend von 19 Uhr bis 23 Uhr wieder gedreht. Deswegen haben wir eigentlich nur gedreht und geschlafen. Aber es wird sehr gut. Ich habe zwar noch nichts gesehen, aber ich habe größtes Vertrauen in den Regisseur.
Wer ist der Regisseur?
Felix Urbauer. Der hat auch schon das Der Druck steigt-Video gedreht. Er hat noch nicht so viel Erfahrung, aber ich ja auch nicht. Daher wachsen wir zusammen.
Warum gerade in Husum?
Das Konzept des Videos sollte ein ganz normaler Nachhauseweg sein. Wir wollten aber, dass der in der Stadt anfängt und in der Natur aufhört. Dazu ist Husum geradezu geschaffen, weil es dort nordisch kleinstädtisch ist. Es geht vom Hafen über die Dünen auf Sand- und Landwege. Das passte einfach sehr gut.
Du hast zusammen mit Turbostaat gedreht. Wie war es für dich, dass die Band in deinem Video mitgespielt hat? Du warst ja immer großer Fan
Ja, ich glaube, dass war tatsächlich die erste Band, die ich getroffen habe, wo ich selber starstrucked war. Und ich finde immer noch einfach alles was die machen so wahnsinnig krass. Mittlerweile sind wir bekannt, trotzdem war das absurd, dass die in meinem Video mitgespielt haben. Ich war dann die ganze Zeit so: Wollt ihr noch was trinken? Gehts euch gut? Soll ich euch die Bahnfahrt bezahlen? Immer noch alles gut bei euch?
Du hast ziemlich lange in Ostwestfalen gelebt. In wie weit hat die Zeit in Bielefeld dich und deine Musik beeinflusst?
Ich würde jetzt nicht sagen, dass es mich in sofern beeinflusst hat, dass ich jetzt wahnsinnig viele Lieder über Bielefeld geschrieben habe. Aber ich würde schon Bielefeld oder auch Ostwestfalen im Großen und Ganzen als meine Heimat bezeichnen. Und man ist ja schon immer beeinflusst von seiner Heimat. Das ist schließlich der Ort, wo ich diese ganzen Erwachsenen-Dinge zum ersten Mal tun musste und getan habe: Zum Einwohnermeldeamt und Bürgeramt gehen, Miete nicht zahlen, Stadtwerke drehen den Strom ab Das prägt natürlich sehr.
Würdest du dich jetzt eher als den sturen Ostwestfalen oder den offenen Amerikaner bezeichnen?
Ich bin beides. Ich bin der offene Amerikaner, so nach dem Motto jeder ist nett und wir sind alle Freunde. Aber heute bin ich zum Beispiel der sture Ostwestfale, denn meine Band hat mal wieder zweieinhalb Stunden Verspätung. Da bin ich dann so: Nee, wir haben einen Zeitplan gehabt und das muss dann auch so eingehalten werden.
Jetzt wohnst du in Berlin. Was hat Bielefeld, was Berlin nicht hat?
Ich finde Bielefeld hat sehr viel mehr Charakter und Herzlichkeit. Berlin ist immer sehr schnell, hektisch und laut, heute hui und morgen pfui. In Berlin lernst du am Tag 20 Leute kennen und das sind dann deine neuen Freunde. Zwei Wochen später sieht man sich nie wieder und redet dann auch nicht mehr miteinander. Bielefeld ist da eher gemäßigter. Ich hatte das Gefühl, Bielefeld hat den Zusammenhalt eines Dorfes aber auch die Dynamik einer Stadt. Das hat mir immer sehr gefallen.
Du hast zweimal hintereinander das Kamp ausverkauft - und die Show ist erst in drei Monaten. Wie fühlt sich das an?
Das fühlt sich mega an, aber hauptsächlich fühlt sich das so krass an, weil es halt zu Hause ist. Es gibt ja tatsächlich Bands oder Rapper, die ich kenne, die überall vor 1500 Leuten spielen und zu Hause dann vor 50. Das würde mich richtig wurmen. Von daher finde ich das schon sehr cool, dass wir zweimal hintereinander einen nicht gerade kleinen Laden ausverkauft haben.
Ist das Kamp dein Lieblingsclub in Bielefeld oder warum hast du deine Show nach dem Ansturm auf die Tickets nicht in den Ringlokschuppen verlegt?
Der Ringlokschuppen ist tatsächlich ein Traum von mir, weil ich, als ich dort an der Theke gearbeitet habe und da sehr viele Konzerte gesehen habe, immer dachte Ohirgendwann da selber stehen! Das wäre schon richtig krass. Ich hätte es jetzt aber schwierig gefunden gleich als erstes eine Ringlokschuppen-Show anzusetzen. Ich finde, entweder es ist da richtig rappelvoll und dann ist es auch geil oder eben nicht. Deswegen habe ich lieber gesagt, dass ich im Kamp vorsichtig anfangen und gucken will wie es läuft. Babyschritte machen sag ich immer. Sofort alles ist ja auch blöd.
Aber du hattest jetzt ja sofort alles. Dein Album ist seit Wochen in den TopTen, ist auf eins in die Charts eingestiegen
Das ist die Bürde daran. Es ist ja auch nicht alles geil daran. Das auf eins gehen hat auch sehr viel Mist auf dem Plan. Man muss sich mit Sachen rumstreiten, die man vorher nicht unbedingt aufm Schirm hatte. Es gibt ja auch so Medien mit denen man nicht so gerne zusammenarbeiten möchte. Dann sagt man denen, dass man nicht mit denen zusammenarbeiten möchte und dann fangen die zwei Wochen später an deine alten Klassenkameraden aus der Realschule abzutelefonieren und versuchen Dreck aus deiner Vergangenheit rauszufinden. Was auch schlimm ist: Gestern wollten wir in Husum in eine Disco feiern gehen und das ging einfach nicht. Wir sind reingekommen und ich wurde sofort belagert. Natürlich ist das irgendwie geil und total krass, aber der Abend war gelaufen und für alle anderen mit.
Also bedrückt dich das schon
Nee, ich will einfach nur, dass es halt klar wird, dass es nicht nur alles Sonnenschein ist. Seitdem wir auf die eins gegangen sind, habe ich meine besten Freunde und meine Familie schon sieben Wochen nicht gesehen. Ich gebe durchgehend Interviews und bin unterwegs. Das ist alles auch geil und aufregend, aber es hat eben auch Kehrseiten. Jetzt habe ich die Stimmung ruiniert
Wenn du so viel unterwegs bist, hast du dann überhaupt noch Zeit neue Musik zu hören?
Da finde ich schon Zeit für, aber ich kann mir unterwegs nur was bei iTunes kaufen und es dann auf Handy ziehen. Deswegen bräuchte ich schon eine Pause, um mal wieder was in Ruhe zu hören. Aber ich habe schon eine neue deutsche Band gefunden, die ich wahnsinnig gut finde: Findus. Die haben ein Video auf youtube.com. Der Song heißt Hafencity. Den kann ich sehr empfehlen. Ist sehr Turbostaat-like.
Inwieweit hast du eigentlich noch Zeit Hardcore zu hören?
Ich hör Hardcore jetzt gerade nicht so viel und wenn dann die alten Sachen. Ich bin jetzt gerade wieder voll auf No Warning. Die hatten eine großartige EP: Ill Blood. Die höre ich momentan rauf und runter. Ich finde aber auch, dass es momentan nicht so viele gute Bands gibt. Defeater finde ich eigentlich noch super, aber die habe ich neulich live gesehen und fand es wahnsinnig schlecht.
Wie gehst du eigentlich mit Kritik um und wie nimmst du so einen Veriss, wie er neulich über dich in der Welt am Sonntag stand, auf?
Ich gehe mit Kritik sehr gut um. Ich finde ja fast schon eine schlechte gut geschriebene Plattenreview, die Sinn macht, besser, als die fünfmillionste Lobhudelei. Wenn einer schreibt, was er aus bestimmten Gründen nicht gut findet, dann kann ich mich damit befassen. Aber es gibt Leute, die schreiben einfach Sachen, die sind so in die Luft gefurzt, so unreflektiert und so unbegründet, da werde ich dann einfach sauer.