Judith Holofernes im Interview
Der Weg vom Azubi zur Chefin der eigenen Band
Bielefeld (ml) Judith Holofernes ist aktuell auf Tour durch Deutschland. Aufgrund von Heiserkeit der Protagonistin konnten wir kein Face-2-Face-Interview und haben ihr kurzerhand per E-Mail Fragen gestellt. Dabei geht es um Tiere, Tiergedichte und auch über die Veränderungen, die es für Judith mit der neuen Band auf Tour gibt.Du hast uns das komplette letzte Jahr mit Tiergedichten etwas hinters Licht geführt. Wie lange hat es nach der Wir sind Helden-Auflösung gedauert, bis du mit der Arbeit für das neue Album begonnen hast?
Den ersten Song habe ich sicher schon nach etwa drei Monaten geschrieben, die nächsten sind ziemlich schnell hinterher gekommen... Ich habe allerdings eine Weile gebraucht um mir einzugestehen, dass ich ganz offensichtlich ein Album aufnehme. Sicher erst nach sieben Songs oder so.
Es befinden sich auf dem Album teils ernstzunehmende und teils nicht ganz so ernstzunehmende Stücke. Welche Lieder haben dir beim Songwriting mehr Spaß gemacht und welche Songs machen dir live am meisten Spaß?
Ich mag es sehr, mit dem Kontrast von anarchischem Humor und Tiefe zu spielen, am allerbesten im gleichen Song! Am tollsten finde ich es, wenn man in einem Song über die erste Strophe lacht und über die dritte weint. "Pechmarie" ist ein bisschen so ein Lied, deswegen ist es für mich auch irgendwie ein zentrales Stück... Live macht ehrlich gesagt die ganze Platte total Spaß, weil die Sachen ja zum großen Teil recht, ähm, schmissig sind, und da machen wir zu sechst schon ganz gut Alarm auf der Bühne. Aber auch die zarteren Sachen sind für mich ganz, ganz toll, vor allem durch die wunderschönen Backinggesänge von Jarita Freydank und Miss Kenichi....
Auf dem Album spielen Tiere in vielen Songs eine zentrale Rolle, wie beispielsweise "Opossum". Kannst du dir auch vorstellen irgendwann mal ein Konzeptalbum nur mit Texten über Tiere zu veröffentlichen?
Ich denke eher, dass ich irgendwann demnächst mal das Tiergedichte-Projekt weitertreiben und ein Buch daraus machen muss. Dafür fehlen mir aber noch ein paar neue Gedichte, bisher sind es nur ca 15... Ich finde, dass man über Tiere toll Sachen über Menschen erzählen kann, eigentlich ist jedes Gedicht ja eine klassische Fabel. Auch das Opossum verhält sich ja nur all zu menschlich, indem es, wenn ihm die Welt zu komplex wird, einfach hintenüberfällt und sich tot stellt. Das machen die meisten von uns ja auch ganz gerne!
Welches ist dein Lieblingslied von "Ein leichtes Schwert"?
Das fällt mir bei dieser Platte viel schwerer zu sagen, als bei den Heldenplatten, weil ich ja in allen Songs gleichermaßen drinstecke... Inhaltlich ist "Nichtsnutz" für mich ein Kernstück, musikalisch und emotional aber am Ehesten "Pechmarie"... Aber auch "Ein leichtes Schwert" ist mir sehr wichtig, das hat für mich musikalisch und von der Aussage her den meisten Wumms.
Wie kamst du denn zu deiner Live-Band?
Ich wusste, dass ich für die Umsetzung mehrere Multi-Intrumentalisten brauchen würde, obwohl wir die Platte nur zu dritt aufgenommen haben. Und ich wusste dass ich eine große Band haben möchte, weil ich es mag, wenn eine Band auf der Bühne ihre eigene Party ist. Und ich wollte unbedingt Frauen in der Band haben, die mehrere Instrumente spielen und aber auch die Backing Vocals so umsetzen können wie auf der Platte... Jetzt sind wir zu sechst, neben Miss Kenichi und Jarita Freydank ist noch Martin Wenk von Calexico dabei, er spielt Trompete, Lapsteel und Gitarren. Jörg Holdinhausen spielt Bass, Baritongitarre, Pauken... und am Schlagzeug sitzt Hanno Stick. Und ich spiele Gitarren, Ukulelen, Mandola, Rezobro und zum ersten mal auch ein bisschen Klavier. Alles in Allem ordentlich was los.
Wie ist es jetzt, wenn du nicht mehr mit den Jungs von früher unterwegs bist?
Am Anfang hat es sich komischer angefühlt, als ich dachte. Die erste Nacht im Tourbus fand ich sehr seltsam. Glücklicherweise schweißt einen das Tourleben aber sehr schnell zusammen und ich habe glücklicherweise ausschließlich tolle, lustige, interessante Leute mit im Bus. Da hat sich das schon nach ein paar Tagen völlig normal angefühlt.
In deiner neuen Band bist du die Chefin. Wie fühlt sich diese Veränderung an?
Erstaunlich einfach und natürlich! Ich habe mich nie für die geborene Chefin gehalten, aber ich glaube, ich mache meine Sache ganz gut! Es ist einfach völlig klar, dass es darum geht, meine Vision dieser Platte live umzusetzen, und daher gucken alle diese tollen Musiker als Erstes zu mir, wenn es darum geht, sich final auf einen Gitarrensound oder so was zu einigen. Und ich bin erstaunt, wie gut ich inzwischen über so etwas kommunizieren kann. Die letzten Jahre habe ich mich gefühlt, als wäre ich mein eigener Azubi, ich bin über viele Schatten gesprungen und das hat sich für mich voll ausgezahlt.
Du spielst auf deinen Konzerten nur einen Song von der "Kamikazefliege". Viele Lieder dieses Albums sind später als Wir-sind-Helden-Songs erschienen. Siehst du hier eine strikte Trennung zwischen deiner musikalischen Vergangenheit und dem, was du jetzt machst?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Ich bin immer noch rundum glücklich mit dem, was wir als Helden gemacht haben. Es würde mir nur komisch vorkommen, die Heldenlieder mit anderen Leuten zu spielen. Vielleicht ist es dafür aber auch einfach noch zu nah dran, zu wenig Zeit vergangen.
Einige Konzerte sind auf dieser Tour schon gespielt. Was hat sich, neben der neuen Band, für dich geändert?
Ich war ehrlich gesagt noch nie so rundum mopszufrieden und ausgeglichen auf einer Tour. Das hat damit zu tun, dass ich inzwischen besser weiß, was ich brauche, um mich auf Tour wohlzufühlen, aber auch dass wir alle irgendwie einen ähnlichen Grundmodus zu haben scheinen. Wir feiern natürlich viel und gehen meistens nicht vor drei ins Bett, das geht mit all dem Restadrenalin im Blut gar nicht anders – trotzdem schlaffen wir alle nicht völlig ab. Wir machen ab und zu Sport, irgendjemanden findet man immer zum Spazierengehen oder Tanzen im Backstage... manchmal essen wir sogar was mit Vitaminen drin. Deswegen sind wir noch nicht so in dieses klassische Tour-Maden-Stadium abgeschlumpft.
Es ist grad Ostern. Wie verbringst du die Feiertage, sofern du nicht gerade auf Tour bist?
Ich bin auf Tour! Heute Abend spiele ich in Berlin im Astra, da muss ich mir noch irgendeinen Osterspaß überlegen.
Danke für das Interview.